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Opferbeauftragter Weber: Jahresbericht zur Lage der Opfer in Berlin

Shownotes

Mehr als die Hälfte der Opfer von Straftaten fühlen sich schlecht getreut- oder überhaupt nicht. Das ergab eine Umfrage in Berlin. 2019 gab es nach dem neuen Jahresbericht des Opferbeauftragten Roland Weber 82.954 von Straftaten geschädigte in Berlin. Schwere Sexualstraftaten nahmen um 18,5 Prozent zu (142 Fälle), Rohheitsdelikte sind auf dem hächsten Stand seit 2010. Es gibt wieder mehr Opfer, die unter 21 Jahre alt sind. Senioren fühlen sich bedroht, obwohl sie im Vergleich eher selten Opfer werden. Im Jahresbericht des ehrenamtlichen Opferbeauftragten stellt Roland Weber fest, dass einerseits die Senatsverwaltungen Berlins sich bemühten, die Hilsvereine und andere Strukturen für die Hilfe der Kriminalitätsopfer vor allem mit einer steigenden Summe Geld zu unterstützen. Dem entspricht aber nicht, wieviele Opfer Hilfe und Beratung suchen, so Weber. In Städten wie München, Hamburg und Stuttgart sähe es anders aus, zum Teil besser, sagt er. Es liege an der fehlenden Information der Opfer von Straftaten. Es sei nicht der Faltzettel, den die Polizei den Opfern nach der Tat in die Hand drücke, es sei wohl eher das Gespräch zwei bis drei Tage nach der Tat, das die Geschädigten dazu bringe, sich helfen zu lassen und vielleicht sogar als Nebenkläger im Strafprzess gegen die mutmaßlichen Täter teilzunehmen. In dem ausführlichen Interview mit dem Opferbeauftragten Berlins berichtet Weber über seine Erkenntnisse des Opferberichtes 2019, das Hilfsangebot in Berlin und den Vergleich mit anderen deutschen Großstädten. Wenn man Opfer wird oder Angehöriger ist: Opferhilfe Berlin e.V. http://www.opferhilfe-berlin.de/ Telefon: 030-395 28 67 (Mo-Fr. 10.13 Uhr und zusätzlich Die. und Do. 15-18 Uhr)
Onlinedatenbank für Betroffene von Straftaten: https://www.odabs.org

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00:00:00:

00:00:11: Kriminalgericht Moabit: Der Podcast. Gerichtsreporter Ulf Morling berichtet über echte Prozesse mit echten Menschen von ihm erlebt.

00:00:20:

00:00:32: MORLING: Herr Weber, der vorgelegte Bericht ist der siebente inzwischen. Sie betreuen schon seit langen Jahren die Opfer von Straftaten in Berlin.

00:00:44: Wenn ich ihren neuen Bericht lese habe ich das Gefühl, es wird in Berlin viel für Opfer getan.

00:00:54: Gleichzeitig scheinen die Opfer, oder die Angehörigen der Opfer, das Gefühl zu haben, eigentlich wird gar nichts für sie getan. Wie ist es denn nun?

00:01:02: ROLAND WEBER: Ich denke, dass wir tatsächlich im Land Berlin einiges für die Opfer tun.

00:01:08: Es hat sich auch grundsätzlich einiges an der Einstellung verändert: die Politik stellt mehr Mittel zur Verfügung, die Senatsverwaltung hat ein eigenes Referat für den Opferschutz eingerichtet,

00:01:19: die Mittel für die Opferhilfsorganisation sind gestiegen... Gleichwohl fällt auf,

00:01:26: dass die Anzahl derer, die diese Einrichtungen und Möglichkeit in Anspruch nehmen, stagniert, zum Teil sogar fällt.

00:01:34: Das ist etwas, was mir auch Sorgen bereitet, denn die Zahl der Opfer der Straftaten ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Wir sehen also aufder einen Seite, dass die Zahl der Opfer steigt, auf

00:01:49: der anderen Seite entdecken wir, dass trotz allem, was getan wird, trotz der

00:01:54: Bereitstellung von mehr Mitteln - zum Teil sogar mehr Personal und dergleichen - die Möglichkeiten nicht stärker in Anspruch genommen werden, sondern sogar sinken! Da stellt sich die Frage, wo und was machen wir hier falsch?

00:02:09: MORLING: Was also wird in Berlin falsch gemacht, dass die Opfer das Gefühl haben, dass man ihnen nicht gerecht wird und das sie allein gelassen werden?

00:02:17: WEBER: Ich habe versucht den Ursachen auf den Grund zu gehen.

00:02:20: Dazu habe ich einen Vergleich mit einigen anderen deutschen Großstädten angestellt, weil sich für mich vordergründig die Frage gestellt hat:

00:02:28: Möchten die Opfer möglicherweise gar nicht diese

00:02:32: Möglichkeiten und Rechte in Anspruch nehmen? Ist es nur ein Gedanke, den die Politik und die Mitarbeiter der Opferhilfsorganisationen haben - oder kommt die Hilfe nicht an?

00:02:44: Dabei ist mir aufgefallen,

00:02:48: wir haben einen Vergleich zu München, Stuttgart und Hamburg gezogen,  Berlin leider das Schlusslicht bildet!

00:02:55: In München (immer in Relation gesetzt, denn weniger Einwohner bedeuten in der  Relation natürlich auch weniger angezeigte Straftaten) wird

00:03:05: die eine oder andere Möglichkeit, das Recht das Opfer haben, bis zu zwölffach stärker in Anspruch genommen.

00:03:13: Auch Stuttgart und Hamburg sind uns in einigen Punkten weit voraus. D.h., die Opfer dort legen ein anderes Verhalten an den Tag.

00:03:23: Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Möglichkeiten hier in Berlin nicht an die Opfer herangetragen werden!  Dann hat im nächsten Schritt

00:03:33: eine der Opferhilfseinrichtungen, die "Opferhilfe Berlin e.V."  und, in Kooperation das Zeugenzimmer zahlreiche Opfer befragt.

00:03:42: Das Zeugenzimmer ist eine Institution, in der können sich Zeugen, die am Kriminalgericht geladen werden (das sind ja oft die Opfer)

00:03:49: aufhalten und müssen nicht

00:03:53: auf dem ungemütlichen Gerichtsflur den Täter sehen und dort auf ihren Termin warten. Sie können in einem geschützten Raum mit entsprechend geschulten Mitarbeiterinnen auf den Termin warten und werden auch in den Gerichtssaal begleitet.

00:04:07: Diese beiden Einrichtungen haben weit über 1.000 Geschädigte befragt.

00:04:12: Dabei kam heraus, dass mehr als die Hälfte der Befragten angaben, sie fühlen sich von den Behörden nicht oder schlecht betreut.

00:04:21: Das heißt: Wenn die Geschädigten den Weg zu den Hilfseinrichtungen gefunden haben, dann waren sie sehr zufrieden und zugleich auch überrascht, was es alles für Möglichkeiten gibt,

00:04:33: wie intensiv man sich um sie kümmert und:  dass diese Möglichkeiten auch für die Betroffenen kostenfrei sind - das ist auch ein wichtiger Fakt!

00:04:42: Entscheidend ist aber nach wie vor die Frage: Wie bringen wir den Betroffenen bei, dass sie entsprechende Rechte und Möglichkeiten haben!

00:04:50:

00:04:59: MORLING: Man wird Opfer einer Straftat oder man ist Angehöriger eines Opfers einer Straftat:

00:05:04: Wie kann im Idealfall der Kontakt in Berlin zu den Behörden laufen und wie funktioniert es in anderen deutschen Städten, falls man das vergleichen kann?

00:05:17: WEBER: Der Gesetzgeber schreibt vor, dass die Betroffenen der Straftaten möglichst

00:05:22: zügig, zeitnah, schriftlich und umfassend über ihre Rechte und Möglichkeiten informiert werden sollen, genauso darüber, an welchen Stellen Sie die entsprechende Hilfe erfahren.

00:05:33: So stellt sich das der Gesetzgeber vor. In der Praxis bedeutet das, dass diese Informationsaufgabe der Polizei zukommt,

00:05:42: die insbesondere bei der Anzeige von Straftaten oft der "natürliche" Ansprechpartner ist und häufig  auch an den Tatorten dazu kommt.

00:05:52: Wie die Information gelingt ist abhängig davon, wie die Polizei aufgestellt und ausgerüstet ist, um diese Pflicht zu erfüllen.

00:05:59: Gespräche mit Betroffenen, aber auch mit der Polizei zeigen mir, dass es hier noch einiges an Verbesserungsbedarf gibt.

00:06:08: MORLING: Was gibt es denn bisher für Möglichkeiten? Wie ist es bisher geplant, wie die Polizei auf Opfer

00:06:14: bei Straftaten (oder kurz nach Straftaten), wenn sie gerufen wird, auf die Opfer zugeht?

00:06:20: WEBER: Die Polizisten und Polizistinnen sollen die Opfer möglichst schnell informieren.

00:06:25: Die Polizisten sagten mir aber, dass das personell und zeitlich oft gar nicht möglich ist. Sie stehen oft unter erheblichem Zeitdruck, werden schnell wieder zum nächsten Einsatz gerufen.

00:06:37: Sie treffen auf Menschen in Ausnahmesituationen, deren Sorgen jetzt gerade andere sind: Es muss beispielsweise ein Krankenwagen gerufen werden,

00:06:46: es muss sich um die Kinder gekümmert werden. Bei häuslicher Gewalt stellen sich die Frage, ob der Täter zunächst der Wohnung verwiesen werden soll und und und...

00:06:54: Auf Betroffene in einer solchen Ausnahmesituation mit einem Informationsblatt zu reagieren? Das  funktioniert in der Praxis schlecht!

00:07:03: Die Betroffenen haben das oft schnell wieder vergessen, verdrängt und dergleichen mehr. D.h.: die reine Information funktioniert nicht!

00:07:13: Wir haben herausgefunden, dass es sehr viel besser wäre, wenn zeitversetzt,

00:07:18: bei vielen Deliktsgruppen also zwei, drei Tage später, noch einmal aktiv auf die Betroffenen zugegangen würde und ihnen eine individuelle und auf sie zugeschnittene Hilfe angeboten würde.

00:07:31: Das klappt dann leider häufig wieder nicht, diesmal aus personellen Gründen!

00:07:36: MORLING: Es ist erstaunlich dass in einem Bundesland wie Berlin, das den ersten Opferbeauftragten

00:07:43: in der Bundesrepublik hatte, es trotzdem so unbefriedigend läuft.

00:07:49: Wie läuft das z.B. in München, wo wesentlich mehr sich Opfer um ihre Rechte im Strafverfahren kümmern?

00:07:57: WEBER: Ich habe Gespräche mit der Polizei in München geführt und die Polizisten sagten mir, dass sie seit einigen Jahren

00:08:05: entsprechend geschult würden. Sie würden extra darauf hingewiesen und es ist ein ganz wichtiges Kriterium: der Opferschutz

00:08:12: wurde dort schon früher auch sehr, oder sogar noch ein bisschen höher,  gehängt. Sie sind bemüht, dort eben nicht nur ein Informationsblatt auszuhändigen, sondern ein entsprechendes kurzes,

00:08:25: informatives Gespräch zu führen, um den Betroffenen den

00:08:30: Mehrwert darzulegen, was es bedeutet, wenn man sich mit einer Hilfsorganisation in Verbindung setzt und  was die alles für einen tun können.

00:08:39: Das hat enorm geholfen. MORLING: Kommen wir noch einmal zu Berlin: Es ist eine Straftat passiert, jemand ist gestorben durch eine Straftat,

00:08:48: man steht allein, man muss viele, viele Sachen (ob Versicherungen, Beerdigung, was auch immer) organisieren, oder eventuell eine Identifizierung durchführen... Gibt es da jemanden, der einen an die Hand nimmt

00:09:01: hier in Berlin, wenn man eigentlich als Angehöriger gar nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll, was man tun soll und völlig hilflos nur da steht und unter Schock ist?

00:09:12: WEBER: Die Problematik der fehlenden und zeitlich nachgelagerten Informationen sieht die Berliner Polizei sehr gut und hat darauf reagiert.

00:09:21: Sie hat vor geraumer Zeit beim LKA 1, das sind die, die die Delikte am Menschen bearbeiten, eine eigene Stelle eingerichtet. Dort sitzt nunmehr eine Opferschutzbeauftragte, die mit hohem Fachwissen und Empathie

00:09:36: mit den Hinterbliebenen spricht und ihnen sehr schnell die Möglichkeiten aufzeigt und insbesondere den Weg zur schnellen Hilfe zeigt.

00:09:45: Nun ist es aber insgesamt ein personelles Problem und die Berliner Polizei hat zumindest bisher nicht den Personalapparat und nicht

00:09:55: die Räumlichkeiten und sachlichen Mittel, um eine solche gute Hilfe auf allen Ebenen, auf denen es geboten wäre, anbieten zu können.

00:10:04: Ich denke insbesondere an die Vielzahl der Sexualdelikte und an die hohe, hohe Anzahl an Körperverletzungsdelikten!

00:10:12: Auch hier haben wir mit sehr vielen traumatisierten Menschen in einer außergewöhnlichen Lage zu tun, die dringend Hilfe benötigen!

00:10:21: Das kann die Polizei leider nicht bieten. Sie bräuchte dafür eine Vielzahl von gesondert geschulten Kräften, das gibt der Haushalt leider nicht her...

00:10:31: Entsprechend ist aus meiner Sicht naheliegend, dass man mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen versucht, das Beste zu machen.

00:10:40: Dazu stehe ich auch in engem Gespräch mit der Polizei und -glücklicherweise- sehen wir das gleich:

00:10:46: Es geht darum, die Polizisten und Polizistinnen möglichst gut zu schulen, entsprechende Fortbildungsangebote zu machen, aber auch eine erweiterte Ausbildung, also das

00:10:59: Ausbildungsmodul "Opferschutz" in der Ausbildung dauerhaft zu integrieren und darüber zu erreichen,

00:11:06: dass die, die nachher draußen auf der Straße unterwegs sind und die, die die Arbeit am Tatort leisten, (entsprechend

00:11:14: zugeschnitten auf den jeweiligen Einzelfall) schon so gut es geht informieren. Ich denke, dass wir auch darüber einiges erreichen können!

00:11:23: MORLING: Sie sagten, dass es vielleicht an Geld fehle, um entsprechende Stellen bei der Polizei aufzurüsten. Ist das denn in anderen Bundesländern anders?

00:11:35: Meines Wissens nach sind die anderen Bundesländer  nicht sehr viel besser dran.

00:11:39: Gespräche mit den Behörden in Nordrhein-Westfalen haben mir gezeigt, dass es dort zum Teil noch sehr viel duftiger ist.

00:11:46: Nicht viel anderes habe ich aus anderen Bundesländern zu hören bekommen. Es ist also weiterhin eine Daueraufgabe, mit den Mitteln, die da sind,

00:11:56: bestmöglichst umzugehen.

00:11:58:

00:12:10: MORLING: Wie sieht es mit der absoluten Zahl der Opfer aus in 2019? Hat sich etwas verbessert oder verschlechtert? Was ist besonders auffällig aus ihrer Sicht?

00:12:19: WEBER: Bei den Opferzahlen können wir feststellen, dass diese in Berlin schon seit einigen Jahren wieder steigen. Das hängt  bestimmt zum einen auch damit zusammen, dass die Stadt größer geworden ist. Es sind sehr viel mehr

00:12:31: Leute in die Stadt gezogen die den letzten Jahren. Aber gleichwohl fällt auf: Jahr für Jahr haben wir mehr Opfer. Innerhalb der Opfergruppen fällt eins besonders auf:

00:12:44: Die Gruppe der Senioren ist die Gruppe, die sich am stärksten bedroht fühlt. Gleichzeitig ist sie die Gruppe, der tatsächlich mit am wenigsten passiert!

00:12:54: Umgekehrt können wir beobachten, dass die Gruppe der Opfer unter 21 Jahren die letzten Jahre signifikant gestiegen ist.

00:13:03: Um das ganze einmal in Zahlen zu benennen: Wir  hatten 2015

00:13:09: ca 14.549 Opfer unter 21.

00:13:15: Diese Gruppe stieg dann Jahr für Jahr an und im Jahre 2019 betrug sie bereits 16.844 -

00:13:24: das sind über 2.300 Opfer mehr.

00:13:30: MORLING: Was sollte man jetzt präventiv oder als Opferbeauftragter tun und  verändern, damit die Opfer besser aufgefangen werden?

00:13:42: WEBER: Bei der Gruppe der Opfer unter 21 Jahren ist hinzuzufügen, dass die Opfer oftmals geschädigt werden durch Täter, die sich in der vergleichbaren Altersstufe befinden.

00:13:56: Das lässt den Rückschluss zu ,dass insgesamt seit Jahren eben auch die Jugenddelinquenz wieder ansteigt.

00:14:04: Ich kann nur dafür appellieren, dass jede Form der Prävention unbedingt weitergeführt wird,

00:14:12: Jede Form der Jugendarbeit intensiviert wird! Ich kann nur sagen: jeder Euro, der dort gespart wird, ist an der falschen Stelle gespart!

00:14:21: MORLING: Die Taten nehmen zu und  die Nebenklage nimmt ab in Berlin.

00:14:28: In München gibt es wesentlich mehr davon. Ich glaube, Berlin hat ein Viertel der Nebenklagen im Vergleich zu München. Das viel kleiner ist und hat viel weniger Straftaten, die Opfer sind aber wohl eher bereit,

00:14:42: in eine Nebenklage zu gehen, sich also im Prozess sozusagen neben den Staatsanwalt zu stellen und einen Anwalt zu haben, der sie vertritt im Prozess gegen

00:14:51: ihren Peiniger.

00:14:53: Wie kommt das? Sind die Münchner wacher, aktiver? Oder werden sie besser informiert über ihre Rechte (zum Beispiel im Strafprozess) als Nebenkläger/ Nebenklägerin?

00:15:04: WEBER: Aus meiner Sicht stellt es sich so dar, dass die Münchner, oder auch

00:15:10: die Stuttgarter oder Hamburger, einfach besser informiert sind! Und wer frühzeitig darüber informiert wird, dass er Rechte und Möglichkeiten hat (möglichst bald nach der Tat),

00:15:21: der hat Zeit sich darüber auseinanderzusetzen, sich Gedanken zu machen und zu planen, wie er mit den Folgen der Straftat umgehen möchte in jeder Hinsicht.

00:15:32: Und wenn ich dann darüber unterrichtet bin,

00:15:35: dass ich in vielen Fällen die Möglichkeit habe, einen für mich kostenfreien Opferanwalt/ Opferanwältin in Anspruch nehmen zu können, dann machen die Leute das.

00:15:46: Das Beispiel München zeigt es in besonders signifikanter Weise. D.h.: nur wer seine Rechte kennt, kann sie auch entsprechend wahrnehmen.

00:15:55: Und da es daran in Berlin insbesondere mangelt, ist es aus meiner Sicht folgelogisch, dass unter anderem das Instrument der Nebenklage hier sehr viel geringer in Anspruch genommen wird als in München!

00:16:09: Das gleiche können wir auch bei anderen Opfer-

00:16:12: rechten beobachten: So gibt es die Möglichkeit, dass man auch Schadensersatz oder Schmerzensgeld im Strafprozess einfordern kann. Das ganze nennt sich Adhäsionsverfahren.

00:16:24: Auch dieses Instrument wird in München mindestens zehn bis zwölf Mal so stark genutzt wie in Berlin.

00:16:31:

00:16:39: MORLING: Es gibt Menschen die Straftaten erleben oder auch Verwandte von Opfern, die wollen abschließen und allenfalls als Zeuge

00:16:49: ins Gericht kommen. Was haben Sie denn für einen Vorteil, die Opfer oder die Verwandten, wenn Sie

00:16:56: als Nebenkläger im Prozess auftreten? Belasten sie sich dann nicht noch mehr mit der Tat?

00:17:02: WEBER: Viele Betroffene der Straftaten, Hinterbliebene und Schwerverletzte, haben mir immer wieder gesagt: Woran sie ein besonderes Interesse haben, ist die Sachverhaltsaufklärung und sind die Motive des Täters.

00:17:15: Sie möchten also gar nicht so sehr die strenge Strafe! Dieser Wunsch wird auch geäußert, aber sehr viel seltener als man denkt sehr! Viel häufiger geht es um das Wissen der Umstände.

00:17:27: Das bekomme ich im Rahmen der Nebenklage aber sehr viel besser mit.

00:17:32: Wenn mich ein Anwalt oder eine Anwältin vertritt, bekommt er oder sie nämlich im Regelfall die Akte zu sehen.

00:17:39: Über die Möglichkeit der Akteneinsicht, die Teilnahme am Strafverfahren und insbesondere die Teilnahme an der Gerichtsverhandlung und sogar die Möglichkeit eigene Fragen stellen zu können,

00:17:52: eröffnet die Möglichkeit, den SachverhaltsiInhalt mitzugestalten und genau zu erfahren, was da im Konkreten passiert ist.

00:18:03: MORLING: Was erleben denn Opfer aus ihrer Sicht im Strafprozess? Sind sie danach zufrieden, dass sie dem Täter vielleicht erstmals ins Auge gesehen zu haben?

00:18:14: Oder kommen sie irgendwann einfach nicht mehr, obwohl der Prozessor noch nicht zu Ende ist?

00:18:20: WEBER: Wie sich die einzelnen Nebenkläger Verhalten, ist ganz unterschiedlich.

00:18:25: Ich habe Menschen erlebt, die wollten die Nebenklage nur aus dem Grund machen, damit sie ein Anwalt oder eine Anwältin in den Prozess schicken konnten, der sie informiert hat, die selbst aber niemals in Erscheinung traten.

00:18:39: Für andere ist es ganz wichtig, dass sie den Angeklagten sehen. Oftmals steht ja fest, dass die Angeklagten dann auch tatsächlich

00:18:47: die Täter waren. Sie möchten diesen Menschen ins Gesicht sehen,

00:18:51: manche haben sogar das Bedürfnis, direkte Fragen an sie zu richten. Sie wollen dann mehr wissen, zum einen, warum geschah die Tat und zu den Hintergründen der Tat...

00:19:00: Andere wiederum möchten gerne dabei sein, möchten sich aber nicht aktiv einbringen. Sie möchten nur sehen, was da passiert.

00:19:09: Sie haben das Bedürfnis, genau informiert sein zu wollen. So lässt sich nur ls gemeinsamer kleinster Nenner feststellen, dass alle Betroffenen, die dieses Instrument wählen,

00:19:22: haben ein hohes Informationsbedürfnis.

00:19:26: MORLING: Was würden Sie abschließend sagen, was in Berlin als nächstes geschehen sollte? Sie haben sieben Berichte geschrieben über die Situation der Opfer von Straftaten in Berlin.

00:19:38: Was möchten Sie keinesfalls -oder: am liebsten keinesfalls- im nächsten ihrer Berichte lesen?

00:19:46: WEBER: Ich würde mich sehr freuen, wenn ich nächstes Jahr erstmal feststellen sollte, dass die Zahl der Opfer heruntergegangen sein sollte.

00:19:53: Da bin ich auch zuversichtlich! Wir befinden uns bekanntermaßen in einer Pandemie, es ist eine Ausnahmesituation. Die Polizei hat mir schon an verschiedener Stelle signalisiert, dass mehrere Deliktsgruppen stark rückläufig sind.

00:20:07: Es handelt sich dabei zum einen um Einbruchsdelikte, aber auch Körperverletzungsdelikte. Es handelt sich um die klassischen Dinge, wie

00:20:15: Hütchenspieler (deren Taten sich primär gegen Touristen richten) und auch von anderen Taten fällt dieses Jahr eine Menge aus.

00:20:22: Entsprechend bin ich zuversichtlich, dass die Zahl der Opfer im nächsten Jahr geringer sein wird.

00:20:28: Was mich weniger glücklich stimmen würde wäre, wenn sich der Trend fortsetzen sollte, das die Opfer Hilfsmöglichkeiten und Rechte ein weiteres Mal zu schwach in Anspruch nähmen.

00:20:43: Hier kann ich noch gar nicht sagen. Wie der Trend ist, das bleibt abzuwarten. Ich kann aber,

00:20:49: jedenfalls an dieser Stelle schon sagen, dass wir weiter im intensiven Gespräch insbesondere mit der Polizei stehen.

00:20:57: Wir arbeiten an entsprechenden Möglichkeiten, wie man die Dinge verbessern kann: Tatsächlich wird es nächstes Jahr ein

00:21:06: Projekt geben. Es wird eine sogenannte "Kontakt-", oder: "Servicestelle" geschaffen. Darüber sollen die Betroffenen dann sehr viel schneller aktiv

00:21:19: die Hilfe bekommen, die sie benötigen. Es wird so sein, dass die Polizei Betroffene vor Ort fragen wird, ob sie damit einverstanden sind, dass sie von einer Opferhilfseinrichtung kontaktiert werden.

00:21:32: Dazu muss dann eine kurze Datenfreigabeerklärung erfolgen, dann wird die Polizei im nächsten Schritt die "Servicestelle" kontaktieren,  wird den "Fall"

00:21:43: ganz kurz schildern und man wird sich dann dort überlegen, welche Opferhilfseinrichtung am ehesten geeignet sein wird, die entsprechende Hilfe anbieten zu können.

00:21:53: Schon binnen weniger Tage wird diese Stelle dann die Betroffenen von sich aus anrufen oder per E-Mail kontaktieren und individuelle Hilfsangebote unterbreiten!

00:22:03: MUSIK

00:22:15: Kriminalgericht Moabit der Podcast Gerichtsreporter Ulf Morling berichtet über echte Prozesse mit echten Menschen von die Merle.

00:22:24: Music.

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