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Ku´damm-Raser-Mord: Opferfamilie leidet auch beim 4. Prozessanlauf - Teil 1

Shownotes

Am 01. Februar 2016 wird Michael Warshitsky ermordet. Ein halbes Jahr vor seinem 70.Geburtstag, den seine beiden Söhne gerade vorbereiten. Warshitsky wurde in seinem robusten Jeep auf dem Nachhauseweg in Berlins City West bei der Querung einer Kreuzung bei grünem Ampellicht mit über 150 Stundenkilometern regelrecht von der Straße geschossen von dem Audi des inzwischen rechtskräftig wegen Mordes verurteilten Hamdi H. (heute 31). Der Senior fliegt in seinem Auto über 70 Meter weit und kommt auf der Tauentzienstraße, nahe des KaDeWe, auf dem Dach zum Liegen. Michael Warshitsky hat keine Chance. Raser Marvin N. (inzwischen 29) inspiziert die Schäden an seinem 380 PS- Mercedes und H. an seinem 225 PS-Audi, einer sucht nach seinem Handy. Mutmaßlich unter Schock. Währenddessen stirbt ihr Opfer in den Trümmern des aufgeschlitzten und total deformierten Jeeps. An diesem Tag wird auch das bisherige Leben der beiden Söhne, des um seinen Lebensabend gebrachten Michael Warshitsky, für immer zerstört. Nach dem frühen Krebstod der Mutter in ihrer Jugend kommt für Alexander und seinen kleinen Bruder schon der nächste Schicksalsschlag: die beiden Raser machen die Brüder auch noch vaterlos. Erst am 1. bzw. 3.März 2016 kommen Hamdi H. und Marvin N. in Untersuchungshaft. Die Berliner Staatsanwaltschaft will nach internen Rangeleien das Unmögliche versuchen: sie will die Tat nicht als fahrlässige Tötung (mit einer Höchststrafe von 5 Jahren) geahndet wissen, sondern als bedingt vorsätzlichen Mord. Das Ziel der beiden Raser sei gewesen: Ich rase mitten durch Berlin mit über 150 km/ h. Es könnte dabei jemand sterben, aber es ist mir egal… Vor Gericht geht es jetzt um lebenslange Haft wegen Mordes. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit beginnt am 06. Oktober 2020 der inzwischen vierte Anlauf im Ku´damm-Raser-Prozess, der immer noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist - viereinhalb Jahre nach dem tragischen und tödlichen Unfall. Während Hamdi H. vom Bundesgerichtshof inzwischen im Juni 2020 wegen Mordes rechtskräftig zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde, steht Marvin N. jetzt erneut vor einer (anderen) Schwurgerichtskammer des Berliner Landgerichts. Das Urteil ist so offen wie noch 2016, als damit begonnen wurde, zu ermitteln. Maximilian Warshitsky ist es Vermächtnis und Zeichen der Liebe zu seinem "Papa", wie er seinen Vater bis heute nennt, dieses aufwühlende Gerichtsverfahren, das für seine Familie weit über die Grenze des Erträglichen hinausgehe, zu durchleiden: für die Familie und all die, die immer noch Opfer schwerster Straftaten würden. Maximilian Warshitsky berichtet hier darüber, wie sein Vater der Familie fehle, wie entwurzelt, verzweifelt und allein man sich nach einer Straftat wie dieser jahrelang fühle, wie wenig man menschliche Wärme und helfende Unterstützung erlebe, es sei denn, man habe Familie und/ oder Freunde. Dieser Podcast sollte allenfalls halb so lang sein. Nach dem Interview entschied ich, das Gespräch mit Maximilian Warshitsky weitgehend unverändert zu belassen und in zwei Teilen zu veröffentlichen. Ich hoffe, dass das auf Zustimmung trifft. Der zweite Teil des Podcasts wird am 27. Oktober 2020 veröffentlicht. An diesem Tag wird sich Marvin N. im Kudamm-Raser -Prozess zu der Tat erklären, kündigte seine Verteidigung an.> quote here

Transkript anzeigen

00:00:00:

00:00:11:

00:00:20:

00:00:32: Morling: Herr Washitsky, seit etlichen Jahren beschäftigt Sie nun der fürchterliche Tod ihres Vaters. Sie

00:00:40: sind seit über 4 Jahren inzwischen Nebenkläger im Prozess gegen ursprünglich zwei Raser, die über Ku´damm und Tauentzienstraße gerast sind und ihren Vater, auch laut Staatsanwaltschaft,

00:00:54: umgebracht haben. Hamdi H. ist inzwischen rechtskräftig verurteilt worden wegen Mordes. Das ist in diesem Jahr geschehen vor dem Bundesgerichtshof. Gegen den anderen Täter wird jetzt zum vierten Mal verhandelt vor dem Landgericht Berlin.

00:01:09: Sie sind auch beim vierten Mal jetzt wieder dabei. Was ist das für ein Last für Sie,

00:01:15: immer noch an den immer ähnlichen Prozessabläufen beteiligt zu sein, die Angeklagten immer wieder zu sehen, immer wieder die Fakten auf den Tisch zu bekommen, die Zeugen zu hören die erzählen, wie ihr Vater

00:01:28: fürchterlich sterben musste durch die beiden Raser.

00:01:33: Warshitsky: Es ist für mich persönlich natürlich ein schwerer Gang, der erste Gang war es vor allem.

00:01:41: Der schwerste oder auch der fürchterlichste Gang ist, die moralische oder seelische Kraft dazu aufzubringen,

00:01:49: zum Gericht zu gehen und die Fakten, die Erkenntnisse, die ich so aus den Akten bereits kannte, hier  aber noch einmal von den Zeugen, von den Richtern live mit zu hören und live mitzubekommen.

00:02:04: Das ist halt das Schwerste, also abgesehen von den schrecklichen Umständen, unter den mein Vater,

00:02:10: einer von vielen unschuldigen Menschen, zu Tode gekommen ist: sinnlos.

00:02:16: Ich habe mir damals gesagt: es geht hier um meine Familie, es geht hier ums Prinzip.

00:02:23: Natürlich ist es so, dass kein Gericht der Welt,

00:02:28: kein Schuldspruch, kein Urteil der Welt, das Ganze ungeschehen machen können oder ungeschehen machen. Dadurch wird es für mich als Opfer, oder: für alle Opfer, nicht besser, nicht leichter...

00:02:38: Aber die Sache war zu dem Zeitpunkt, als alles passierte, die: ich hatte mich damit damals nicht befasst.  Ich habe aber nach der ganzen Tragödie einen Zeitungsartikel gefunden bei meinem Vater. Es ging auch darin hat um einen Raser der

00:02:52: einen älteren Herrn, der Fahrrad fuhr, umgefahren hat,

00:02:56: ihn dann liegen gelassen und abgehauen ist. Das war's. Er hat durch Fahrerflucht und sonstige Delikte, was alles dazu gehört, ´ne Geldstrafe bekommen: 1200 €.

00:03:08: Er hat ein Menschen umgebracht bzw. seinen Tod verursacht. Führerscheinentzug für ein Jahr auf Bewährung und das war's.

00:03:16: Mein Vater hat darauf notiert: Was ist das für eine Justiz, was ist das für eine Kuscheljustiz? Das kann's doch nicht sein!

00:03:23: Und irgendwann hat es Klick im Kopf gemacht bei mir: Warte mal, das ist doch eine Art déja-vu! Fast genau dasselbe ist hier

00:03:32: auch mir und meiner Familie widerfahren! Ich habe mir gesagt: Jetzt erst recht! Ich will alles,  was ich halt als Normalsterblicher, als Bürger, machen kann, alles werde ich in meiner Macht stehende unternehmen,

00:03:42: um hier möglichst ein Ende zu setzen, dass die Justiz, dass das Recht, dass die Menschen aufwachen und verstehen was auf der Straße passiert.

00:03:52: Es ist ja nicht so, dass es das erste oder das zweite Mal passierte. Im Internet habe ich jetzt ein bisschen recherchiert und.

00:03:59: zahlreiche Artikel gefunden mit den Themen Rasen, Raserei, Tod. Es hat mich aufhorchen lassen, ich habe zu mir gesagt: das ist hier jetzt mein Kampf, es geht um mich und meine Familie, es geht ums Prinzip.

00:04:13: Es geht nicht um Rache, um Rachsüchtigkeit,  das Geschehene lässt sich nicht rückgängig machen.

00:04:22: In den Medien konnte ich dann lesen: Herr Dingsdabumsda hat den und  den Anwalt kontaktiert, dann den und den Anwalt kontaktiert,

00:04:31: der hat ihm abgesagt er hat einen anderen Anwalt gefunden...Ich habe mir die Anwaltsnamen angeschaut, es waren eigentlich so für mich die bekanntesten Anwälte Berlins.

00:04:41: Die hätten hier was bewegen können, also vom Namen her: die hatten einen Status.

00:04:48: Ich dachte:  Warte mal, wie kann es sein, dass ich als Opfer komplett allein gelassen wurde?

00:04:55: Ich wurde gar nicht informiert über das Schicksal, was meinem Vater widerfahren ist.

00:05:02: Hätte ich das nicht durch einen glücklichen Zufall erfahren,

00:05:06: würde ich vielleicht bis heute nicht wissen, dass und warum mein Vater der Leidtragende und das Opfer war  am Kudamm, der sein Leben lassen musste.

00:05:18: Und das waren die Momente, wo ich dann gedacht habe, dass das so nicht weitergehen kann und ich dann angefangen habe

00:05:24: mich zu informieren, welche Anwälte sich womit beschäftigen und angefangen habe, die Anwälte abzutelefonieren und zu hinterfragen: Ich habe das und das Problem und ich habe jenes Problem. Was mache ich jetzt? An wen muss ich mich wenden?

00:05:38: Wer kann mich und meine Argumente in meiner Angelegenheit vertreten? Wer kann mir da helfen?

00:05:44: Morling: Ich möchte noch einmal ein kleines Stück zurückgehen: An jenem 1. Februar 2016 ist es geschehen und Sie waren ja nicht dabei. Sie sind also irgendwie informiert worden. Wie ist das genau gelaufen?

00:05:56: Haben Sie es im Radio gehört, oder im Fernsehen etwas gesehen über diesen schrecklichen Unfall, von dem sie nicht wussten, dass ihr Vater beteiligt war als Opfer? Oder

00:06:06: wie ist das genau gelaufen?  Warshitsky:  Ich habe gegen 9/10  Uhr morgens einen Anruf von Kollegen bekommen.

00:06:14: Der hat mir dann gesagt: hast Du schon mal die Nachrichten gehört oder gesehen?  Ich: Nee, das tue ich mir nicht an, am Morgen schon den Tag verderben?

00:06:23: Nachrichten! ... Da höre ich mir doch lieber im Radio einen fröhlichen, glücklichen Song an und starte gut in den Tag!

00:06:31: Er meinte: Naja, da ist halt etwas passiert.. Ich gucke Internet, Fernsehen, es kommen Nachrichten.

00:06:42: Ich sehe nichts! Was hast Du gelesen? Was soll denn da passiert sein? Naja, da ist halt ein Unfall! passiert in der Nähe vom Wohnort deines Vaters und da soll wohl einer

00:06:56: zu Tode gekommen sein. Das Fahrzeug meines Vaters war ein markantes Fahrzeug, der Jeep, den

00:07:05: gibt es nicht allzu oft in Berlin. Er sagt: das Fahrzeug hat doch Ähnlichkeit mit dem von deinem Vater. Und es passierte in seiner Nähe... Aber will Dir ja nichts einreden. Check das mal aus!

00:07:19: Ich erstmal: "Ok"! Schock!

00:07:23: Ich schalte Nachrichten nochmal ein und zur vollen Stunde im Internet  immer mehr Informationen und Bilder.

00:07:33: Ich guck mir die Fotos an von dem Fahrzeug von meinem Vater. Ich habe gesagt "ok" die Farbe ist lila, das ist ja schon ein bisschen penetrant.

00:07:43: Und dann noch ein weißes Dach... Bis ich dann irgendwann mal verstanden habe...

00:07:48: Fast schon im Minutentakt kamen immer mehr Informationen über das Geschehen. Ich gucke: Rentner, 69 Jahre alter Mensch, dies, das, jenes, der Name dann irgendwann einmal - Schock!

00:08:00: Ich rufe meinen Vater an,  ohne jetzt genau die Gedanken dabei zu haben,

00:08:05: er ist das, oder: es hat ihn getroffen. Sein Handy klingelte. Er ging nicht ran. Sein Festnetz, sein Haustelefon klingelten, er ging  auch nicht ran.

00:08:15: Auf Anrufbeantworter: "Ich rufe dich immer auf an und: Papa Papa,  ich kann Dich nicht erreichen! Alles gut? Meld Dich! Ich hab mir nichts dabei gedacht. Vielleicht ist er unter der Dusche? Vielleicht mit Hund kurz einkaufen et cetera.

00:08:29: Halbe Stunde, vielleicht eine Stunde und ich rufe noch mal auf allen Telefonen an. Dasselbe: es klingelt und keiner geht ran,  keiner antwortet. Ich schaue noch mal Nachrichten im Internet.

00:08:40: Ich lese immer mehr, sehe Bilder. Das kann doch nicht sein!? Ich habe mir eingebildet, wenn irgendein Unfall ist, wenn irgendetwas passieren sollte, dann wirst du doch von der Polizei benachrichtigt.

00:08:53: Dann wirst du doch um sie von der Polizei von irgendjemand bei Nachricht an kommt doch jemand zu dir und da ist ein Anruf ruft dich an und sagt ey pass auf, zu uns oder wir kommen zu dir und nichts davon,

00:09:04: Ich hab meinen Bruder anrufen, geht nicht ran. Sachen gepackt, zu meinem Vater gefahren in die Wohnung.100, 200 Meter vor dem Haus kommt mir ein Nachbar entgegen,

00:09:12: spricht mich an: ´Du, sag mal, heute Nacht: das war dein Vater, oder?  Mein Mund war komplett offen.

00:09:23: Sprachlos! Was soll ich dir sagen? Keine Ahnung! Ich weiß es nicht!

00:09:29: Ich habe keine Information. Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich weiß aus dem Medien, was passiert ist, ja, aber ich weiß nicht genau, was passiert ist oder wie es passiert ist...Ja, vielleicht, keine Ahnung...

00:09:42: ich drücke Dich so! Alles Gute! Viel Kraft!

00:09:47: Erst einmal schlucken. Ich gehe hinein ins Haus, Treppen hoch. Die ersten reporter standen schon bei den Nachbarn für die erste Geburt da standen schon beim Nachbarn.

00:09:56: Die Nachbarn gleich: "Hier, da das ist der Sohn!"

00:09:59: Erst einmal: Schock! Ich bin unschuldig, ich habe nichts gemacht! Was wollte ihr von mir? Er sagt: Alles gut so! Wir wollten einfach nur mal wissen, so heute Nacht,  Du weißt sicher schon, was passiert ist!

00:10:13: Wir wollten mit Dir einfach mal zwei, drei Wörter reden, wenn Du möchtest und wenn Du die Kraft dazu hast. Wir wollen Dir aber nicht zu nahe treten.

00:10:22: Ich wüsste nicht, was ich Euch sagen kann, was ich sagen soll. Ihr wisst schon wer mehr wie ich, ich habe noch keine Ahnung, was überhaupt passiert ist! Ich habe noch nicht mal realisiert, vielleicht wollte ich es garnicht realisieren? Ich gehe hoch, klingle an der Tür.

00:10:37: Passiert nix. Ich mache die Tür auf, der Hund springt mir entgegen vor Freude. "Papa? Papa?" Ich gehe weiter in die Wohnung.

00:10:49: Alle Türen stehen offen. "Papa?" Ich rufe ihn nochmal auf seinem Handy an.

00:10:55: Es klingelt im Hörer, aber ich höre kein Klingeln in der Wohnung. Festnetz? Ich sehe, der Apparat blinkt, blinkt, blinkt! Nachrichten! Ich: "Papa? Papa?" Ich guck überall und gehe ins Schlafzimmer:  das Bett ist unaufgeräumt, die Tür steht offen.

00:11:13: Du: mit voller Wucht quasi mitten ins Gesicht sozusagen! Ich war erste einmal baff. Scheiße!

00:11:20: Ich höre den Anrufbeantworter ab: seine Freundin. "Micha! Micha! Wo bist Du? Ich stehe bei Dir vor der Haustür!

00:11:27: Ich klingele bei Dir, aber Du machst nicht auf! Wir haben abgemacht, wenn Du zu Hause bist, rufst Du an!

00:11:32: Ich mach mir Sorgen! Wo bist Du?" 3, 4 5 Nachrichten...Ich weiß nicht, wie viele es waren!

00:11:37: Mein Bruder rief mich an: Sag mal, wann hast Du das letzte Mal Papa gesehen oder gehört?

00:11:43: Wieso? Der war doch erst Sonntag, also gestern bei ihm, bei meinem Bruder!

00:11:48: Morling: Ich möchte Sie jetzt nicht weiter quälen ich möchte nur noch einmal feststellen sie haben von Journalisten die vor der Wohnungstür ihres getöteten Vaters nach dem Unfall die ersten waren erfahren dass wahrscheinlich ihr Papa tot war,

00:12:03: dass er das Opfer dieses schrecklichen Unfalls war? Warshitsky: Ja! Morling: Und wann haben sich die Behörden bei Ihnen gemeldet? Warshitsky: Überhaupt nicht!

00:12:10: Ich musste selber die Initiative ergreifen und die Polizei anrufen. Ich dachte okay.

00:12:18: wer ist da zuständig, weil Kudamm und Charlottenburg für mich... Ich habe 110 zuerst anrufen.  Die meinten: "Rufen Sie einmal die örtliche Dienststelle an die müssen es halt machen, die sind dafür zuständig.

00:12:30: Charlottenburg angerufen: Ja, da sind wir nicht zuständig. Das machen wir nicht. Rufen Sie mal Schöneberg an!

00:12:37: Rufe ich Schöneberg an. Ja, da sind wir nicht zuständig. Das machen die anderen Kollegen, aber: Wer sind sie denn? Wir geben am Telefon ohnehin keine Auskünfte.

00:12:46: Ich habe mich, meiner Meinung nach, vorgestellt: Ich bin der Sohn von dem vermutlich Verstorbenen, Getöteten.

00:12:56: Ach so! Wo sind Sie denn gerade?  Ich sagte, ich bin in der Wohnung von meinem Vater! Die Adresse muss ich Ihnen ja nicht durchgeben, die müsste ihn ja bekannt sein?!  Ja, dann nehmen wir sie auf und leiten es weiter an die Dienststelle. Die melden sich gleich bei Ihnen! Ok!

00:13:12: Die melden sich... dann warte ich einmal - definitiv über eine Stunde.

00:13:18: Mein Bruder hat x-mal angerufen: Was ist jetzt? Mittlerweile kam er dazu in die Wohnung. Die kümmern sich? Das kann doch nicht sein, dass Du hier sitzt und wartest nichts tust! Irgendwas muss doch geschehen!

00:13:31: Lass uns rübergehen zur Kriminalpolizei!

00:13:34: Wenigstens die müssen doch etwass machen! Okay, ich rufe bei denen noch mal an!  Ja, die haben sich noch nicht gemeldet bei Ihnen? Die melden sich gleich, wir kontaktieren die nochmal!

00:13:49: Minuten später kam der Anruf von der Polizeidirektion Eiswaldtstraße. Die sind zuständig für Verkehrsdelikte.

00:13:58: Auf die Frage,  wo wir sind, sagten wir:  in der Wohnung von meinem Vater. Ja, möchten Sie denn zu uns kommen oder sollen die Kollegen zu Ihnen kommen?

00:14:07: Ich habe kurz überlegt, dann entschieden: bevor ich jetzt noch mal einen halben Tag warte, bis ihr herkommt, komme ich lieber zu euch!

00:14:18: Okay, die Kollegen warten auf Sie! Ich gucke: mit den Öffis sind es gute 40 Minuten Fahrt...

00:14:24: 40 Minuten fahren mit den Öffis mit meinem Bruder in dem Zustand? Das geht nicht, das kann ich mir nicht antun, selbst, wenn ich das wollen würde!

00:14:31: Ich dachte, ich bin im falschen Film!  Ich wusste nicht,  ob ich lachen sollte oder ob ich weinen sollte oder mit dem Kopf gegen die Wand klatschen sollte - so vom Gefühl her.

00:14:41: Ich dachte, das kann es doch nicht sein...in diesem Zustand, in dieser Situation... Es wird eigentlich wirklich auf dich geschissen, auf dein Zustand. Entschuldige die Wortwahl, aber mir fällt nichts anderes jetzt ein!

00:14:51: Aber Freunde waren zum Glück auch da. Die sagten: okay, kein Thema, wir fahren Dich hin!

00:14:57: Freundlich begrüßt ganz in Ruhe. Kommen Sie mal hoch, setzen Sie sich einmal!  komme ich mal hoch und setzen sich mal!

00:15:03: Kurz erzählt: ja, da war was... Ich habe eine Frage:  Ja oder Nein? Er nickt.

00:15:13: Das war schon mittags gegen 2 oder 3,  ich weiß es nicht.

00:15:22: Wir haben da noch ein paar Sachen gefunden von ihrem Vater,

00:15:26: was wir am Unfallort im Auto gefunden haben oder an ihm. Alles weitere wird sich klären. Wenn Sie psychologische Betreuung brauchen:

00:15:35: Wir haben einen Psychologen im Haus, blablabla, Sie können  sich gerne an ihn wenden.

00:15:40: Für weitere Fragen müssen Sie sich vielleicht einen Anwalt nehmen... Was soll ich noch sagen?

00:15:49: Der konnte oder wollte wohl noch keine Details nennen, wie das ganze passiert ist.

00:16:00: Ich weiß nicht: dieser Genickschuss, dieser Stich ins Herz, diese Gewissheit...

00:16:06: Morling: Ich denke, auch für die Beamten, selbst wenn sie vielleicht tagtäglich damit zu tun haben, ist es sehr schwierig, das aufzufangen!

00:16:13: Aber, wenn man in dem Zusammenhang überhaupt von Auffangen sprechen kann: Haben Sie sich irgendwie aufgehoben gefühlt oder wurden Sie, so ein bisschen wenigstens, soweit es den Beamten möglich war, von ihnen an die Hand genommen?

00:16:29: Warshitsky: Ich glaube,  zu dem Zeitpunkt ging es mir nicht um dieses "sich aufgehoben fühlen". Es ging mir einfach nur durch den Kopf: Scheiße,

00:16:40: wieso gerade er?

00:16:45: Wieso musst das überhaupt passieren?  Das ist einen Block vor seiner Wohnung entfernt passiert - eine Querstraße weiter und er wäre zu Hause gewesen.

00:16:55: Wieso muss so etwas passieren und wieso ihm?  Das kann doch nicht wahr sein! Das zu verarbeiten und zu verstehen, das war das Folgeproblem. Irgendwie

00:17:06: zu begreifen was da tatsächlich passiert ist und zu begreifen,

00:17:12: dass der geliebte Mensch, dass der Vater aus unserer Sicht damals (konnte man noch nicht klären, ob er vielleicht über Rot gefahren ist und was da genau passiert ist) aber: so wie wir ihn kannten, war er ein sehr vorsichtiger Fahrer.

00:17:27: Nicht, um es uns jetzt schön zu reden, er war ein generell vorsichtiger Fahrer, der nicht einfach mal so über Rot gefahren wäre,

00:17:34: um mal schnell über die Ampel zu kommen oder so...  Wir haben gesagt: Das kann doch nicht sein, gerade er,

00:17:42: als vorsichtiger Mensch... ein halbes Jahr vor seinem 70. Geburtstag, den wir schon geplant hatten mit der Familie und Freunden zu feiern... BEM!

00:17:55: Morling: Die Staatsanwaltschaft hat nach dem Unfall ermittelt. Sie wissen jetzt natürlich ganz genau, dass in solchen Fällen im Allgemeinen eine fahrlässige Tötung allenfalls angeklagt wird...

00:18:06: In dem Fall, ich raff das Ermittlungsverfahren, hat plötzlich die Staatsanwaltschaft

00:18:15: gemeinschaftlichen Mord angeklagt: Beide Fahrer die hintereinander fuhren, einer hat das Auto ihres Vaters brutal erwischt (es flog 70 m durch die Luft),

00:18:27: einer hat ihn getroffen der andere fuhr hinterher,  aber es wurde ein illegales Straßenrennen angenommen mit

00:18:33: bis zu 170 Stundenkilometer die Tachonadel stand auf über 200. Beide wurden wegen gemeinschaftlichen Mordes angeklagt. 2017,

00:18:43: fiel dann

00:18:45: auch das erste Urteil. Beide wurden wegen Mordes verurteilt zu einer lebenslangen Haftstrafe. Sie haben ja im Prozess die Beiden das erste Mal

00:18:55: gesehen,

00:18:56: live gegenübergetreten. Was haben Sie gedacht als sie,  von den Journalisten, die sie bedrängten, einmal abgesehen, in den Saal hinein kamen, das erste Mal die Täter gesehen haben die ihren Vater mutmaßlich

00:19:11: ermordet hatten? Was haben Sie gedacht, als Sie die Beiden da gesehen haben?

00:19:18: Warshitsky: Ich musste zum damaligen Zeitpunkt mit meinen Gefühlen kämpfen. Innerlich wollte ich

00:19:26: kurz nach den Geschehen am liebsten deren Köpfe einschlagen für die Tat, dafür, dass die einen unschuldigen Menschen, meinen Vater, sinnlos aus dem Leben gerissen haben.

00:19:35: Das war dieses innerliche Gefühl, auch wenn ich

00:19:40: kein gewalttätiger Mensch bin, aber es war dieser innere Schrei, der einem sagt: Was für Idioten! Was für... das möchte ich  jetzt nicht aussprechen...

00:19:55: Aber irgendwann habe ich wieder gesagt: Okay, diese inneren Gefühle sind normal und verständlich, aber warte mal ab und bleib cool und sachlich.

00:20:07: Wir sind hier nicht "Auge um Auge, Zahn um Zahn" und selbst, wenn: was bringt es dir?  Es würde dir vielleicht für den Bruchteil einer  Sekunde oder Minute besser gehen,

00:20:22: aber das Geschehene lässt sich trotzdem nicht ungeschehen machen.

00:20:27: Es würde auch das Geschehene nicht rückgängig machen.

00:20:34: Was hier vielleicht wahrscheinlich helfen würde, ist einfach mal die volle Wucht der Justiz die volle Kraft der Justiz denen gegenüber,

00:20:45: dass die an ihrem eigenen Leib diesen Schmerz zumindest annähernd spüren,

00:20:53: ob durch das Mordurteil, dadurch, dass sie ein halbes Jahr nach der Tragödie eingebuchtet wurden?

00:21:01: Ob das ausreichend ist? Ich bin kein Experte, um das zu beurteilen, aber ich wage es zu bezweifeln.

00:21:11: Meine persönlichen Gedanken waren vielleicht die,  dass sich "so etwas" vielleicht

00:21:16: direkt mit den Opfern befassen muss! Im Allgemeinen sind wir bei den Opfern, die leiden, egal wegen welcher erlittener Verbrechen, ob sie durch Autorennen oder andere Gewalttaten,  wie Vergewaltigungen, zu Schaden kamen.

00:21:30: Durch ihre Tat, durch dieses rücksichtslose Rasen,

00:21:38: das war ja kein Fahren mehr, das waren zwei Geschosse, die den ganzen Ku´damm entlang geflogen sind wie Raketen, mit der dreieinhalbfachen Geschwindigkeit ... - Das die das überhaupt begreifen werden können, was sie damit

00:21:50: anderen angetan haben, nicht, was ihnen selbst widerfahren ist (denn die ganze Zeit ging es den Beiden nur um das, was ihnen widerfahren ist: ihre Autos Schrott,

00:21:58: Jetzt haben die eine Mordanklage am Hals). Aber es sind doch so coole Jungs mit den dicken Autos, aber im Gericht mucksmäuschenstill...

00:22:06: Ihr habt einen Dicken rausgehängt auf der Straße mit euren Autos auf dem Ku´damm. Ihr wart der Meinung, ihr müsst Autorennen veranstalten?

00:22:13: Egal, euer Leben ist mir egal, eure Gesundheit ist mir egal, interessiert mich nicht. Aber: Rücksichtslos, ignorant, auf andere scheißen, Gleichgültigkeit?

00:22:24: Der mit seiner Beifahrerin: dem war ja scheinbar sogar gleichgültig, ob ihr vielleicht auch etwas widerfahren könnte!

00:22:32: Und diese Rücksichtslosigkeit, vielleicht, wenn ihr jetzt das menschliche Leid am eigenen Leib erfahren und sehen könntet, vielleicht würde es dann im Kopf Klick machen vielleicht würden die dann ein bisschen im Kopf begreifen, was die anderen angetan haben...

00:22:46: Morling: Sie kamen in den Saal rei, sahen die Beiden auf der Anklagebank:

00:22:51: Wie haben Sie die Beiden wahrgenommen, wie haben sie gewirkt auf Sie, als sie so dastanden und die Richter in den Saal kamen im ersten Prozess?

00:23:01: Marvin, so habe ich ihn wahrgenommen, hatte einen eiskalten Blick stur nach unten gerichtet, bloß nichts anmerken lassen!

00:23:10: Kleiner! Durchziehen! Man of Steel, sozusagen.  Bei dem Hamdi, bei dem zweiten,

00:23:18: konnte man so ein bisschen sehen, dass der so bisschen, sag mal so: wackelig war,

00:23:23: dass er sich nicht so wirklich entscheiden konnte, was genau will ich einerseits rüber gehen lassen, vielleicht   irgendetwas sagen?,

00:23:32: aber andererseits sich nicht traut und lieber abwartet, nach dem Motto: ich steh das schon durch, wird schon schief gehen.

00:23:41: Das habe ich im ganzen Prozess beobachtet. Die Blickkontakte von Marvin... oder meine Blickkontakte zu ihm wurden eigentlich gar nicht beantwortet.  Hamdi? Gleich runtergeduckt.

00:23:56: Gleich Augen gesenkt. Bloß nicht angucken lassen!

00:24:01: Und ich sage mir halt dann: Nach dem ersten Schuldspruch gegen beide ist ja der Hamdi dann quasi aufgesprungen.

00:24:09: Was bildet ihr euch ein, wie kann es halt sein, was mache ich dann noch hier wenn ihr schon das Urteil gebildet habt? So nach dem Motto: Das kann es doch nicht sein.

00:24:19: Das war für mich der entscheidende Augenblick, wo ich mir mein innerliche Meinung bestätigt wurde,

00:24:24: dass es den Angeklagten nur darum ging (wie auch in den Medien berichtet wurde): Er saß da, Hände über dem Kopf: "Wie konnte mir das geschehen?" Genau das ist es: wie konnte IHM das geschehen?

00:24:37: Mein Block, mein Ghetto, mein Bezirk! Ich kann doch um die Ecken gucken, ich hab doch den Röntgenblick! Das ist das, was ich beobachtet habe, das ist mein Eindruck.

00:24:45:

00:24:57:

00:25:06:

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