UA-172374255-1

Jahrelanger Missbrauch minderjähriger Frauen im Bordell - Berliner Justiz träge

Transkript anzeigen

„Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht“, soll Mustafa E. einmal bei einer Vernehmung vor ein paar Jahren gesagt haben. Selbst wenn er krankgeschrieben war, so der 55-jährige, habe er ab 2010 die „Erlebniswohnung“ in Neukölln „gemanagt“. Auch wenn er im Beruf und Betriebsrat bei einem daxnotierten deutschen Konzern Probleme hatte und damit wohl überfordert war, habe er die mehrstündigen Gangbang-Parties in Berlin-Neukölln über das Internet organisieren können. Das sei ja keine Arbeit gewesen…

10 lang soll Mustafa E. u.a eine 15-jährige und einige 17-jährige junge Frauen angeboten haben bei Flatrate- und Gangbang-Parties.  Bei den Sexparties mit Männerüberschuss gab es neben einem halben Dutzend junge Frauen, einmal mehr und einmal weniger, auch ein Buffet, denn: für den „Flatrate-Sex“ durften die zahlenden Männer so lange bleiben und so lange beliebig viele Frauen benutzen, wie sie wollten. Alles organisiert von Mustafa E., der sein Hobby zur einträglichen Beschäftigung machte. Der absolute "Höhepunkt" soll der „Ruhetag“ in der „Erlebniswohnung“ gewesen sein: jeden Sonntag durften zum Ruhetag nur auserwählte Männer erscheinen. Da sollen auch minderjährige 17-jährigen Frauen zur Verfügung gestanden haben. Mindestens einmal war es nachgewiesenermaßen eine 15-jährige.

Obersstaatsanwalt Bernhard Mix ist derzeit der Leiter der Bemämpfung der Organiserten Kriminalität und des Menschenhandels u.a. in der Berliner Szaazsanwaltschaft:

OT MIX:  Wir gehen davon aus, dass Herr E. durchgängig seit Jahren in dieser "Erlebniswohnung" aktiv ist und diese auch tatsächlich betreibt, auch wenn andere Menschen ihre Namen z.B. im Handels- oder Gewerberegister dafür hergeben.  Er ist aber dafür als der maßgeblich verantwortlich, der die Personalpolitik betreibt,  der dort für die Festsetzung der Preise zuständig ist. Das ist alles Gegenstand der Anklage - und zwar durchgägnig seit vielen Jahren; im Prinziip bis zu seiner Verhaftung im Herbst 2020.

GERICHTSREPORTER MORLING: Die Justiz ist seit Jahren zögerlich mit  Mustafa E.: In Untersuchungshaft kam er erst vor ein wenigen Monaten, am 17. November 2020. Allerdings gibt es im Berliner Landgericht inzwischen schon den zweiten Prozess, bei dem es um die Beschäftigung minderjähriger junger Frauen in seinen Bordellen geht. Diesmal ist eine Adresse im südlichen Berliner Bezirk Mariendorf. Doch beginnen wir von vorn:

Im Jahr 2010 ist Mustafa E. Betriebsrat und gründet in seinem Konzern eine eigene Liste mit linken Positionen. Es gibt Zuspruch, aber es gibt auch Anfeindungen, erzählt er einem Psychiater, der im Januar 2018 sein Gutachten im ersten "Erlebniswohnungsprozess" gegen E. abgibt. E. sitzt nicht in Untersuchungshaft. Als „linker“ Gewerkschafter und Betriebsrat sei er im November 2011 zusammengeprügelt worden vor seiner Wohnungstür, berichtet er. Man habe ihn überfallen, gefesselt und geschlagen. In seinem Konzern habe er sich gemobbt gefühlt, so der Deutschtürke. Ihm sei eine Zeichnung zugesteckt worden, auf der E. von einem Bus überfahren würde Zwar habe er seine „Erlebniswohnung“ trotz der Ängste um sich weiterführen können, aber er habe nicht mehr in seiner Firma arbeiten können wegen der von ihm behaupteten Anfeindungen.

Dann soll ein Kollege zufällig in E.s Neuköllner Bordell als Gast aufgetaucht sein und machte es im Konzern publik, das E. auch Sexparties mit Männerüberschuss organisiere. Das sei mit einem Gesichtsverlust in seiner Firma verbunden gewesen. Die Nebentätigkeit in seinem Bordell untersagte sein Arbeitgeber wegen moralischer Bedenken, hieß es. In dieser Zeit soll er an sechs Tagen pro Woche seine „Erlebniswohnung“ geführt haben, während er insgesamt 272 Tage krankgeschrieben gewesen sein soll. Die Probleme führten 2016 dazu, dass sich der Arbeitgeber und E. trennten. E. arbeitet danach wohl nur noch bei seinen Flatrateparties. In seiner Neuköllner 5-Zimmer-Wohnung bietet der Angeklagte weiter seine Gangbangparties an. Auf seiner Website verbreitet er die Termine und den Ort. Jeweils zwanzig bis dreißig Männer (auch macnhmal bis einhundert) haben , so die Staatsanwaltschaft, wie in einer Art Schichtsystem auch schon einmal mit minderjährigen jungen Frauen sexuellen Kontakt. Manchmal sind auch mehrere junge Männer gleichzeitig bei einer der jungen Frauen. Es wird auch Schlange gestanden. Die beiden 15- und 17-jährigen Mädchen, bzw. junge Frauen, die 2013 aufgegriffen werden bei einer ersten Razzia ins E.s Bordell, waren Opfer, so die Staatsanwaltschaft. Freiwillig hätten sie nicht mitgemacht, auch wenn keine offwensichtliche Gewalt angewendet wurde, denn

einer Minderjährigen sei es nicht möglich, ihre womöglich eigene Willensentscheidung wie ein Erwachsener zu überblicken, werde es in unser Recht gesehen.

Musik

Am 23. August 2013 wird es scheinbar eng für Mustafa E. Das Ordnungsamt Neukölln und die Polizei kommen zur Razzia in die "Erlebmiswohnung". Ein Mann versucht zu flüchten, die anderen machen in den sogenannten "Verrichtungszimmern" in den fünf Zimmern des Bordells im ersten Stockwerk weiter. „Die waren alle nackt.“ sagt ein Polizist, der dabei war. Und er denkt auch heute noch an die Razzia im Rotlichtmilieu und ist auch noch 2021 erschüttert: eine 15-jährige, klar auszumachen als junges Mädchen, gerade einmal 1 Meter 50 groß, wird entdeckt unter den insgesamt neun Frauen. Sie wird mit zur Wache genommen. Ihre Eltern in Hamburg werden angerufen. Sie sollen ihr Kind sofort abholen. --- Doch die Personalien der anwesenden Männer werden nicht einmal festgestellt. „Was, sie ist erst 15“, ruft ein kontrollierender Beamter erstaunt. Das war 2013…In Büro von E.s Bordell und zwei Bankschließfächern finden Polizeibeamte bei einer weiteren Razzia im Juli 2014 insgesamt 316.970 Euro laut Polizeiprotokoll. Das müsse der Gewinn der "Erlebniswohnung" sein, ist die Schlussfolgerung der Polizei.

Doch der Prozess, der Mustafa E. das Handwerk legen und zur Folge haben könnte, dass junge minderjährige Frauen mehr Schutz hätten vor Prostitution und vor Mustafa E., beginnt erst im Oktober 2017 --- also vier Jahre nach der Razzia. Bis heute, im Jahr 2021, gibt es keinen rechtskräftigen Schuldspruch von Mustafa E.. in dieser Sache. Mustafa E. macht jedenfalls weiter. Das gibt er auch zu im gerade begonnenen zweiten Prozess vor dem Landgericht Berlin. Diemsal wird ihm vorgeworfen, in einem zweiten Bordell, also einer zweiten "Erlebniswohnung" mit angegliederter Übernachtungsmöglichkeit namens "Venus-Palace", von November 2016 bis September 2020 on Mariendorf wieder minderjährige junge Frauen benutzt zu haben - er selbst und die Männer, die in sein Bordell kamen. Oberstaatsanwalt Mix:

OT MIX: Herrn E. wird vorgeworfen, weiter als Betreiber seiner "Erlebniswohnung" in mehreren Fällen eine Zuhälterei begangen zu haben, nämlich zum Nachteil von acht Damen. Es wird ihm weiter zur Last gelegt, in fünf Fällen mit einer minderjährigen 17-jährigen (Anmerkung: lt. Prozess war sie erst 16 Jahre alt)  Prostituierten Verkehr gehabt zu haben; das ist ein sexueller Missbrauch von Jungendlichen, als solcher strafbar. Weiterere Gegenstand der Anklage ist auch eine sexuelle Nötigung. Herrn E. wird zur Last gelegt im Rahmen dieses Vorwurfs, als Betreiber der "Erlebniswohnung", die dort arbeitetenden Prostituierten, so die Zeuginnen, jeweils immer zu "testen", um sozusagen den Preis festlegen zu können, den diese verlangen dürfen. Eine der frauen hat angegeben, dass sie mit diesem test nicht einverstanden gewesen sei. In einer speziellen Situation habe sie feststellen müssen, dass Herr E. sich sozusagen den test genommen hat, indem er mit ihr geschlechtlich verkehrt hat, ohne dass sie das wollte. Im gegenteil: sie soll ihm ausdrücklich gesagt haben, dass sie das nicht möchte. Die Regel ist nun einmal: Nein heisst nein! Das ist von jedem zu akzeptieren, auch von Herrn E.. Der Vorwurf ist, dass er genau das nicht getan hat.

GERICHTSREPORTERMORLING: Erst wenn mindestens fünf Männer im Raum waren, soll E. eine der Frauen in das sogenannte Verrichtungszimmer geschickt haben. In kürzester Zeut mussten sie bis zu dreizig Freiier bedienen, sagt die Staatsanwaltschaft. Jüngere Frauen soll pro Stunde einhundert Euro verdient haben, ältere "etwas weniger". Die männlichen Kunden zahlten als Eintritt in die "Erlebniswohnung" zwischen 70 und 110 Euro. Mustafa E. schien trotz des laufenden Verfahrens mit der Neuköllner "Erlebniswohnung" im Mariendort weiterzumachen in der zweiten "Erlebniswohnung". Und: Polzei und Justiz lassen ihn weitermachen. Am 16. Juli 2026 schreibt ein Kunde der "Erlebniswohnung" im Internet auf  einer Bewertungsseite für Sexdienstleistungen:

„Offiziell ist Schicht im Schacht, inoffiziell geht da noch etwas. Teilweise annoncieren Mädels (oder Mustafa) über …(eine Internetseite- Anmerkung des Verfassers) und lotsen einen dorthin. Für "Auserwählte" scheint es auch noch Partys zu geben, war jedenfalls im Frühjahr noch so.“

Mustafa E. hat drei Verteidiger auch in seinem zweiten Prozess. Einer der Anwälte, Valentin Babuska, beschreibt die "Erlebniswohnung" und wie sie sein Mandant sieht:

OT BABUSKA: Das war ein prostitutionsähnlicher Betrieb, der da unterhalten wurde. Das haben wir dargelegt und dabei soll es hier jetzt sein Bewenden haben. Inhaltlich möchte ich mich dazu nicht weiter äußern.

GERICHTSREPORTER MORLING: Erst im November 2020 wird dem Treiben von Mustafa E. ein Ende gesetzt. Am 17. November 2020 wird der 55-jährige verhaftet und sitzt seitdem in Untersuchungshaft – ungefähr 10 Jahre nach der Eröffnung seiner ersten Erlebniswohnung.

Doch was ist mit den jungen Mädchen und Frauen, die bei E. als Prostituierte arbeiteten? Einige hatten bereits auf dem Straßenstrich gearbeitet, bevor sie in der "Erlebniswohnung" begonnen hatten. Die Bedingungen bei Mustafa E. seien besser gewesen. Trotzdem erstatten einige von ihnen später Anzeige. Das 15-jährige Opfer E.s war mit einer volljährigen Freundin aus Hamburg gekommen. Die Eltern des Mädchens trennten sich gerade. Sie wusste nicht wohin und landete eines Abends in der "Erlebniswohnung", erzählte sie der Polizei. Als sie ihr vater nach der Razzia 2013 auf der Berliner Polizeiwache noch in derselben Nacht abholen musste, sage er:

er und seine Ex-Frau nähmen ihre Tochter eben so, wie sie sei. Heute haben die meisten der jungen Frauen Familie und Kinder. Manche einen bei ihren Aussagen im Gericht. Keine der früheren Prostituierten sagt aus, jemals zu sexuellen Kontakten gezwungen worden zu sein. Sie erhielten nach ihren Aussagen 50.- bis 70.- Euro pro Stunde bei ihrer Arbeit als junge Mädchen in der Erlebniswohnung. E. selbst legt über einige der angeklagten Taten ein Geständsnis ab. So habe er sich in eine 16-jährige regelrecht "verguckt" und habe ihr auch Turnschuhe gekauft.

Sie hätten nicht bei jeder Zusammenkunft Sex zusammen gehabt. Das andere über 18, aber unter 21 Jahre alt waren, habe er gewusst. Aber alle Frauen hätten "freiwillig und selbstbestimmt" in seiner "Erlebniswohnung" gearbeitet und sie seinn "mit 100 Euro pro Stunde angemessen bezahlt" worden. Für alle Fälle, wo er sich strafbar gemacht haben könnte, entschuldige er sich aufrichtig. Verteidiger Babuska will für seinen Mandanten eine milde Strafe erreichen:

OT BABUSKA: Eine angemessene aber vertretbare und verhältnismäßig milde Sanktion am Ende, mit der er leben weiter seine Zukunft planen kann. Aus meiner Sicht würde das heißen, dass Herr F. entlassen wird und die Strafe. egal, wie hoch sie auch immer ausfallen wird, antreten kann. Aber: das er ein bisschen planen kann in Ruhe.

GERICHTSREPORTER MORLING: Das Gericht signalisierte, dass E. bei einem Geständnis zu einer Haftstrafe von unter vier Jahren verurteilt werden könnte. Bis er die Strafe absitzen müsste, könnte E. aus der Untersuchungshaft in Freiheit entlassen werden. Doch vor dem Urteil (wahrscheinlich Ende März 2021) wird überraschend der Schuldspruch über E.s allererste ermittelten Straftaten als mutmaßlicher Zuhälter in seinem Bordell von 2011-13 gefällt: er muss zwei Jahre und drei Monate wegen Missbrauchs und Zuhälterei ins Gewfängnis. Allerding werden wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen durch die Justiz vier Monate der Strafe abgezogen. "Drei Jahre hat das Verfahren buchstäblich in der Ecke gelegen", kritisiert der Richter. Unterm Strich bleiben ein Jahr und elf Monate Strafe. Der Vorsitzende Richter beschreibt die beiden 15- und 17-jährigen jungen Mädchen. Zwar sei die 15-jährige nur einmal eingesetz worden in der "Erlebniswohnung", aber bei den ca. 3x eine Stunde, in denen E. bis zu zwanzig Männer auf einmal in das Zimmer des Mädchens trieb, sei die Jungendliche irgendwann weinend herausgekommen und sei bis heute, fast ein Jahrzehnt später, noch tief beeindruckt und aufgewühlt. Dass die auszusprechende Strafe für E. nun sogar reduziert werden musste wegen Verzögerungen, sei rechtes, so der Richter, denn: "Wenn die Öffentliche Hand die Justiz so ausstattet, koommt eben das heraus."     

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.